Werner-Ernst-Preis 2008 (17. FRU-Förderpreis-Wettbewerb)

Städte und Regionen im Klimawandel

Werner-Ernst-Preis 2008 verliehen

Der Werner-Ernst-Preis des Förderkreises für Raum- und Umweltforschung (FRU) wurde im Rahmen der Wissenschaftlichen Plenarsitzung der ARL am 6. Juni 2008 in Berlin verliehen. Anders als in den vergangenen Jahren hatte sich der Wettbewerb 2008 nicht am Thema der Jahrestagung der ARL orientiert. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen hat sich der Vorstand des FRU dafür ausgesprochen, das derzeit in der wissenschaftlichen, aber auch in der öffentlichen Diskussion virulente Thema des Klimawandels mit seinen räumlichen Implikationen zum Gegenstand des Wettbewerbs zu machen. Damit sollten wegweisende wissenschaftliche Beiträge gefördert und ihr Weg zur „Anwenderseite“, der Planungspraxis, beschleunigt werden. Zum anderen wurden heuer zum ersten Mal Teile der Wissenschaftlichen Plenarsitzung über einen Call for Papers konzipiert. Hier galt es, Überschneidungen zweier Wettbewerbe zum gleichen Thema zu vermeiden.

Die Wahl des Themas „Städte und Regionen im Klimawandel“ hat sich als richtig erwiesen. Denn – so viel sei vorweggenommen – es konnten nicht nur drei Preise vergeben werden, sondern auch eine Reihe lobender Anerkennungen. Dies zeugt von der hohen Qualität der eingereichten Beiträge.

Die Folgen des Klimawandels für Städte und Regionen sowie Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel sind sehr aktuelle Forschungsthemen. Mit dem Werner-Ernst-Preis sollten einerseits Arbeiten gefördert werden, die neue Erkenntnisse zu raum-zeitlichen Wirkungen des Klimawandels für Städte und Regionen behandeln. Dies konnten Arbeiten zur raum-zeitlichen Verteilung potenzieller Folgen und Risiken des Klimawandels sein oder solche, die sich mit der Vulnerabilität sozialer Gruppen gegenüber dem Klimawandel auch in räumlicher Hinsicht befassen. Da der Klimawandel nicht mehr verhindert, sondern nur verlangsamt und in seinen Ausmaßen gemildert werden kann, sind andererseits Anpassungsstrategien erforderlich, wie z. B. die verstärkte Berücksichtigung energetischer und klimatischer Aspekte bei Siedlungsentwicklung und Stadterneuerung, der klimabewusste Entwurf oder Umbau von Gebäuden, das Freihalten bzw. die Absiedlung von Bereichen, die durch Überflutungen oder Hangrutschungen gefährdet sind. Daher waren auch Arbeiten von Interesse, die sich mit politischen und planerischen Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel auf verschiedenen politischen bzw. administrativen Ebenen befassen.

Nach dem Abgabetermin Ende März 2008 wurden die zahlreich eingegangenen Wettbewerbsbeiträge an die Jury zur Prüfung und Bewertung übergeben. Mitglieder der Jury waren Dr. Jörn Birkmann, United Nations University Bonn, der auch den Vorsitz innehatte, Prof. Dr. Sabine Hofmeister, Leuphana-Universität Lüneburg, und Dr. Ernst-Hasso Ritter, Staatssekretär a.D. und ehemaliger Präsident der ARL. Die Jury empfahl dem Vorstand des FRU, je einen ersten, zweiten und dritten Preis zu vergeben. Der Vereinsvorstand folgte dieser Empfehlung. Prof. Dr.-Ing. Jörg Knieling, Vorsitzender des FRU, gab im Rahmen der Wissenschaftlichen Plenarsitzung das Wettbewerbsergebnis bekannt und überreichte die Auszeichnungen.

Der dritte Preis, dotiert mit 1.000 Euro, ging an Matthias Dietz aus Bremen. Sein Beitrag trägt den Titel Überraschende Untiefen. Analyse der Klimaschutzpolitik zweier Küstenbundesländer. Dietz geht in seiner Arbeit vor allem der Frage nach, wie die Bundesländer Hamburg und Niedersachsen Argumente und Belange des Klimaschutzes in ihre konkrete Handlungspolitik einbinden. Er vergleicht somit die Klimaschutzpolitik der beiden Länder. Es wird deutlich, dass bisher vielfach eine selektive Nutzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsargumenten vorzufinden ist. Dietz kommt zu dem Schluss, dass die Nutzung klima- und umweltpolitischer Argumente im Fallbeispiel Niedersachsen besondere Berücksichtigung bei den Themen Wattenmeer und Elbvertiefung erhält, da diese mit wirtschaftlichen Interessen des Landes kaum in Konflikt stehen. Die geringe Aufbereitung des Belanges Klimawandel in der politisch-planerischen Diskussion in Hamburg – bezogen auf die Themen Wattenmeer und Elbvertiefung – zeigt die Dringlichkeit, konkretere Maßnahmen und Kriterien zu entwickeln, die es erlauben, Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels in diese Vorhaben einzubinden. Die Arbeit von Matthias Dietz bietet hierzu einen wichtigen Impuls.

Der zweite Preis, dotiert mit 1.500 Euro, ging an Anja Seidel aus Dresden. Ihr Beitrag Prognose der Auswirkungen des Klimawandels am Beispiel des Brambacher Zipfels im Oberen Vogtland greift das Wettbewerbsthema aus einer landschaftsplanerischen Perspektive kompetent und kritisch auf. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der spezifischen Verwundbarkeit von Lebensräumen und ausgewählten Pflanzenarten gegenüber Klimaänderungen. Entgegen dem leicht irreführenden Titel werden aber nicht nur Prognosen gestellt, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen vorgelegt. Diese münden in ein Handlungskonzept für den betroffenen Raum im Oberen Vogtland in Südwestsachsen, das ohne Weiteres die Grundlage für ein praktisches Maßnahmenprogramm sein könnte. Die Arbeit ist wissenschaftlich solide fundiert, zum Teil durch eigene Untersuchungen angereichert, und zugleich ausgesprochen praxisorientiert. Obwohl der Beitrag als planerisches Referenzgebiet die Fachplanung „Landschaftsplanung“ wählt, sind viele Erkenntnisse – etwa zur Vulnerabilität – auch auf andere Planungsarten, einschließlich der räumlichen Gesamtplanung, übertragbar und für die Planungspraxis direkt nützlich.

Den ersten Preis, dotiert mit 2.000 Euro, erhielt Birte Frommer aus Darmstadt. Ihre Arbeit trägt den Titel Handlungs- und Steuerungsfähigkeit von Städten und Regionen im Klimawandel. Der Beitrag strategischer Planung zur Erarbeitung und Umsetzung regionaler Anpassungsstrategien. Ausgehend von der These, dass auf regionaler Ebene besonderer Bedarf an Anpassungsstrategien an die Folgen des Klimawandels besteht, fragt die Autorin nach den Möglichkeiten der räumlichen Planung zur Erstellung, Implementierung und Umsetzung dieser Strategien. Der Beitrag fokussiert dabei auf den Steuerungsansatz der strategischen Planung zur Erhöhung der „Adaptive Capacity“ in den Regionen. In der Bewertung dieses Ansatzes kommt Frommer zu dem Schluss, dass der Erfolg von Anpassungsstrategien in hohem Maße davon abhängt, ob und wie Strategien, Programme und Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung negativer Wirkungen des Klimawandels mit nichtklimatischen Veränderungsprozessen, wie z. B. dem sozio-ökonomischen und demographischen Wandel, abgestimmt sind. Aufbauend auf diesen Befund werden die Einflussmöglichkeiten der Raumplanung in Bezug auf die Erhöhung regionaler Anpassungskapazitäten in der Perspektive auf Vorsorgeorientierung und die Potenziale des Risikomanagements erörtert. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Besonders hervorzuheben ist, dass Frommer ein „konzeptionelles Gerüst“ für eine regionale Anpassungsstrategie, einen sogenannten Strategiezyklus, entwickelt.

Der Beitrag von Birte Frommer enthält neue Erkenntnisse sowohl in konzeptioneller als auch in methodischer Hinsicht. Im Ansatz des „Strategiezyklus“ werden die verschiedenen planungstheoretischen Debatten zu „Capacity Building“, „Risk Assessment“ und „Risikomanagement“ sowie zu kooperativen Planungsverfahren miteinander verbunden und für das Handlungsfeld nutzbar gemacht. Hervorzuheben ist außerdem die differenzierte und kritisch reflektierte Auseinandersetzung mit Möglichkeiten und Grenzen der räumlichen Planung im Handlungsfeld der Adaptionsstrategien an den Klimawandel und seine Folgen.

Neben den drei mit Geldpreisen prämierten Beiträgen hat die Jury vier weitere Beiträge lobend anerkannt. Die Autoren erhielten wertvolle Buchgeschenke. Es handelt sich um folgende vier Wettbewerbsbeiträge:

  • Nichtwissen und Vorsorge im Klimawandel. Herausforderungen für die räumliche Planung (Sylvia Kruse, Basel, und Christian Kuhlicke, Leipzig)
  • Bewältigung von Klimaschutz und Klimaanpassung durch die Raumplanung in Städten und städtischen Agglomerationen (Michael Lülf, Hannover)
  • Instrumentelle Zuordnung der planerischen Aufgaben des Klimaschutzes (Sven Rannow und Roland Finke, Dortmund)
  • Die Potenziale der Flussgebietsplanung für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels – Bürgerschaftliches Engagement im Hochwasserschutz (Mareike Schaerffer, Hamburg)

Fast alle prämierten und lobend anerkannten Beiträge sind zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ bzw. in der Reihe „E-Paper der ARL“ vorgesehen.

Andreas Klee